Dienstag, 31. März 2009

Worauf warten wir noch?


Es klingelte an meiner Tür. Ich stand auf und öffnete. Auf der Fußmatte stand mein Nachbar, der sterbend um Luft rang. Blass und verschwitzt gelang es ihm, mir zu sagen, dass er starke Schmerzen in der Brust hatte und gerade einen Herzinfarkt erlitt. Ich setzte ihn in mein Auto und wir fuhren hupend zum Krankenhaus. Dort wurde er augenblicklich in eine Untersuchungskabine geführt. Von der Last der Verantwortung befreit, setzte ich mich auf eine Bank und begann darüber nachzugrübeln, wen um alles in der Welt ich anrufen sollte, da die Frau meines Nachbarn auf Reisen war und er die Telefonnummer seiner Kinder nicht dabei hatte. Da öffnete sich die Tür und der vollkommen wiederhergestellte Kranke trat in bester Verfassung hervor. Ich wurde beinahe wütend auf ihn.
"War es denn kein Infarkt?"
"Wo denkst du hin, nur eine Ansammlung von Gasen. Als sie meinen Magen ereichten, ließ ich einen gewaltigen Rülpser los und in wenigen Sekunden ließen alle meine Beschwerden nach."
Und nun kommt die Millionenfrage: Handelt es sich bei der Krise (der politischen und der wirtschaftlichen und der sozialen, der kompletten Krise) um einen Infarkt oder um eine Ansammlung von Gasen? Derzeit diagnostiziert man sie aufgrund ihrer Symptome als Herz-Atemstillstand. Doch vielleicht würde es ja reichen, einen kräftigen Rülpser loszulassen? Stellen wir uns zum Beispiel vor, dass die Immobilienpreise um 50 Prozent fallen. Schließlich leugnet niemand das Vorhandensein einer Immobilienblase, das heißt das Vorhandensein von Luft, also von Gasen. Und wer Immobilien sagt, der sagt auch Autos, Restaurants oder Opern. Wir leben seit zehn Jahren, vielleicht auch schon länger, über unseren Möglichkeiten. Das löst Stress aus, Unruhe, Verspannunen und Gase. Aber das lässt sich durch Aufstoßen lösen. Worauf warten wir noch?

(Von Juan José Millás, Mallorca Zeitung Nr. 462 / 12. März 2009)